Braucht Musik eine Form?

Ein Interview mit Jason Gokavi über das Design des Plattenspielers Mark Levinson № 5105

„Streaming ist die Freude an der Entdeckung, während analoges Hören die Freude an der Kunst ist.“

In der heutigen Zeit haftet einem Plattenspieler etwas Anachronistisches an. Nichtsdestotrotz hat das analoge Gerät seit einigen Jahren wieder eine wachsende Fangemeinde, die das Hören von Musik auf Vinyl hingebungsvoll zelebriert – immer auf der Suche nach dem perfekten Klang. Beim Red Dot Award: Product Design 2021 überraschte das Unternehmen Harman, das sich vor allem als Hersteller von Lautsprechern, Kopfhörern und Car-Audio-Systemen einen Namen gemacht hat, als es mit dem Mark Levinson № 5105 erstmals einen Plattenspieler zum Wettbewerb anmeldete und die Jury mit diesem Gerät so sehr begeisterte, dass sie einen Red Dot: Best of the Best für höchste Designqualität vergab.

Wir haben mit Jason Gokavi, einem der verantwortlichen Gestalter für den Mark Levinson № 5105 bei Huemen, der Designagentur von Harman, gesprochen.

Die Jury urteilte über den Plattenspieler Mark Levinson № 5105

„Der Plattenspieler Mark Levinson № 5105 zeichnet sich durch technische ebenso wie gestalterische Perfektion aus, die auf eine Optimierung des Klangs ausgelegt ist. Nichts stört bei diesem Gerät den puristischen Gesamteindruck, der der ausgefeilten Technik eine angemessene Bühne bietet.“

Braucht Musik eine Form?
Ein Grund für die Renaissance von Plattenspielern ist das analoge Moment, dieses Ritual vom Heraussuchen und Abwischen der Platte über das Auflegen, die Positionierung des Tonabnehmers bis hin zur Beobachtung der Nadel, wie sich diese langsam ihren Weg zur Mitte bahnt. Und natürlich die klangliche Qualität analoger Aufnahmen. Das ist destilliertes Audioglück. Das soll nicht heißen, dass Streaming kein Genuss ist, denn es hat Milliarden von Hörern auf der ganzen Welt mit Musik in Berührung gebracht, die sie sonst nie kennengelernt hätten. Ich würde es so ausdrücken: Streaming ist die Freude an der Entdeckung, während analoges Hören die Freude an der Kunst ist.

 

Ist Streaming Konsum, während das Hören von Musik auf Vinyl Genuss ist?
In einer Zeit, in der sofortige Befriedigung als die Norm angesehen wird und der Zugang zu einer ganzen Welt von Musik immer griffbereit ist, gibt es etwas, das für den Zen-ähnlichen Genuss spricht, den wir mit Schallplatten verbinden. Das Auflegen und Anhören einer Platte ist gewissermaßen eine Form des „Digital Detox“.

 

Was ist im Luxus-Audiosegment wichtiger – die Technik oder das Design?
Ausgewogenheit ohne Kompromisse. Die Technik und ihre Perfektionierung stehen sicherlich im Vordergrund dessen, was Marken wie Mark Levinson repräsentieren. Doch auch ihre ikonischen Designelemente spielen eine wichtige Rolle. Ein zentraler Grundsatz der Marken-DNA lautet: Kein Detail wird dem Produkt hinzugefügt, wenn es nicht in irgendeiner Weise seine Leistung erhöht. Diese Philosophie spiegelt sich auch in der Ästhetik wider. Alles ist aus einem bestimmten Grund da und aus eben diesem Grund auch exakt so gestaltet, wie es gestaltet ist. Wo es undefinierte Elemente gibt, erkunden wir designbasierte Lösungen; und wo wir meinen, etwas verbessern zu können, bringen wir Vorschläge ein. Dies mündet in einem optimierten Designprozess, der auf einer engen Zusammenarbeit mit unseren Elektro- und Maschinenbauingenieuren beruht.

Jason Gokavi feiert die insgesamt 44 Auszeichnungen für huemen beim Red Dot Award: Product Design 2021 mit einem Red Dot Moment

Einen großen Anteil an der Schaffung eines perfekten Klangerlebnisses haben die Ingenieure - wie viel Freiheit haben Sie da als Designer noch, ohne den Klangcharakter zu verändern? 
Wir arbeiten um die Beschränkungen herum, die uns die Audioleistung auferlegt. Bei Lautsprechern ist das eher einschränkend, aber bei den Komponenten von Mark Levinson bietet das Design von Natur aus ein gewisses Maß an Flexibilität. Einige Abmessungen sind gesetzt, z. B. die Einhaltung der Standard-Rack-Breite, aber innerhalb dieser Grenzen haben wir große Freiheiten. Wir haben allerdings auch das Glück mit Menschen zusammenzuarbeiten, die genau zuhören und unseren Designentscheidungen vertrauen, sodass wir unsere Konzepte fast genauso umsetzen können, wie wir sie zu einem frühen Zeitpunkt im Gestaltungsprozess vorgeschlagen haben.

 

Musikhören ist ein sinnliches Erlebnis – inwieweit gilt das auch für den Plattenspieler Mark Levinson № 5105 selbst?
Wenn Kunden den Klang von Mark Levinson definieren wollen, beschreiben sie ihn oft als samtweich, mit einer tiefschwarzen, natürlichen Stille, aus der jedes Detail jeder Note in Aufnahmen mit präzisem Timing und großer Kraft hervortritt. Das haben wir auch beim Design berücksichtigt, indem wir nur wenige Designelemente verwendet und die funktionalen Komponenten in den Mittelpunkt gestellt haben, damit sie für sich selbst sprechen. Das Design weckt einerseits Vertrauen in die Leistungsfähigkeit des № 5105, zum anderen stellt es sicher, dass sich der Plattenspieler nahtlos in die Umgebung einfügt und dabei gerade durch seine reduzierte, subtile Gestaltung Aufmerksamkeit erregt.