Designerprofil

The First The Last

Making an Impression

Wenn man es genau nimmt, ist der Agenturname „The First The Last“ ein wenig irreführend. Denn im Designprozess des Studios gibt es so etwas wie „das Letzte“ nicht: „Was andere für selbstverständlich halten, verfolgen wir bis ins Unendliche“, beschreiben die Designer ihre Arbeitsweise. Die Agentur The First The Last wurde 2018 von Мaksym Stepenko in Kiew, Ukraine, gegründet und hat ihren Arbeitsschwerpunkt im Digitalen. Auf die Frage, was gutes Kommunikationsdesign ausmacht, ziehen sie eine Analogie zur Kunst: „Wenn ein Bild Emotionen hervorruft und zum Nachdenken anregt, dann ist es ein großartiges Werk, dasselbe gilt für Design.“ Seit Kriegsbeginn arbeiten die Kreativen unter erschwerten Bedingungen – im Home-Office sitzend, behindert das Remote-Arbeiten beispielsweise gemeinsames Brainstorming. Was sie jedoch antreibt ist die Überzeugung, dass Design dazu beitragen kann, die Gesellschaft zu verändern. Bestes Beispiel hierfür sind die beiden aktuell ausgezeichneten Webseiten, die sich mit dem Krieg und seinen Folgen befassen: „Wir sind stolz darauf, dass unsere Projekte ausgezeichnet wurden und hoffentlich dazu beitragen, die Aufmerksamkeit auf den Krieg in unserem Land zu lenken.“

Closed Eyes

Die Jury urteilte: „Closed Eyes sendet in dieser Zeit der Krise eine starke Botschaft aus. Es ist eine Art digitale Gedenkstätte, zu der jeder beitragen und auf der alle zusammenkommen können, um zu trauern. Die Benutzerführung ist gut verständlich und die Seite sensibel und emotional ansprechend gestaltet. Diese Arbeit belegt eindrucksvoll, dass in einer solch schwierigen Situation auch Design einen sehr konkreten Beitrag leisten kann, um zu helfen.“

The First The Last im Interview mit Red Dot

Red Dot: Was war die besondere Herausforderung bei der Entwicklung der Arbeit Closed Eyes?

The First The Last: Es geht bei dieser Website darum, die Erinnerung an die Kriegsopfer zu bewahren. Deswegen bestand die wohl größte Herausforderung darin, die richtigen Emotionen zu vermitteln. Das Design sollte wichtige Dinge hervorheben und die Aufmerksamkeit darauf lenken – gleichzeitig darf die Gestaltung nicht vom Kernthema ablenken. Es ist ein Balanceakt, der sich lohnt.

Welches sind die wichtigsten Gestaltungselemente dieser Plattform?

Bei der visuellen Umsetzung haben wir scharfe und verschwommene Bilder kombiniert. Das Logo des Projekts spielt mit Bedeutungen: Der Name als grafische Basis ist unscharf, während für die Tagline eine klare und prägnante Schrift zum Einsatz kommt. Auf diese Weise wird zum Ausdruck gebracht, dass die ukrainische Tragödie absolut real ist, auch wenn die Welt ihre Augen vor den grausamen Bildern verschließt. Der Unschärfeeffekt ist heute ein beliebtes Symbol beim Thema Krieg. Wir sehen ihn ständig bei zensierten Inhalten in sozialen Netzwerken oder bei blutigen Bildern in den Nachrichten. Unschärfe ist jedoch keine Lösung. Daher werden die verschwommenen grafischen Elemente, die auf der Startseite erscheinen, allmählich scharf, ähnlich wie wenn ein Mensch seine Augen öffnet.

The Other Side of Truth

Wir haben mit den Designern Julia Julia Shulgina, Ivan Mavrytiuk und Мaksym Stepenko auch über ihr nichtkommerzielles Projekt „The Other Side of the Truth“ gesprochen, das von The First The Last selbst initiiert wurde und die von Russland verbreiteten Informationen denen der übrigen Welt gegenüberstellt.

The First The Last im Interview mit Red Dot

Red Dot: Wie ist die Idee für diese Website entstanden?

The First The Last: Die Idee entstand kurz nach dem Morgen des 24. Februar 2022, als die Russische Föderation groß angelegte Militäroperationen auf dem Gebiet der Ukraine startete. Die russische Propaganda bezeichnete dies als „Sondereinsatz“. Ziel unserer Website ist es, die Wahrheit aufzuzeigen, Informationen an diejenigen weiterzugeben, die Hilfe brauchen, und Unterstützung dorthin zu leiten, wo sie benötigt wird.

Wie sind Sie an das Projekt herangegangen?

Die größte Herausforderung bestand darin, die Zuverlässigkeit der Informationen zu gewährleisten, die zunächst verifiziert werden mussten. Außerdem mussten wir einen Weg finden, durch die Gestaltung zum einen die Gefühle zu vermitteln, die die Menschen hier derzeit erleben, und zum anderen die zwei Realitäten gegenüberzustellen. Dafür haben wir einen speziellen Button entworfen, der es erlaubt, zwischen den beiden Sichtweisen – denen des Besatzers vor rotem Hintergrund und denen des ukrainischen Volks und des Rests der Welt auf blau-gelbem Hintergrund – zu wechseln und sie im Detail zu vergleichen.