Omri Bar-Zeev
Omri Bar-Zeev, geboren 1981, ist Industriedesigner. Er studierte am Shankar College of Engineering and Design und absolvierte ein Aufbaustudium im Bereich Designmanagement an der Bezalel Academy.
Im Jahr 2011 gründete er mit zwei Partnern das renommierte israelische Designstudio Prime, das sich auf Unterhaltungselektronik spezialisiert hat. Mehr als ein Jahrzehnt lang leitete er die kreative Ausrichtung der Agentur, die für ihre innovativen Designs zahlreiche lokale und internationale Auszeichnungen erhielt.
2021 wurde Prime von Manyone, einer globalen Strategie- und Designberatung, übernommen. Omri Bar-Zeev wurde nahtlos Partner bei Manyone und nutzte seine umfangreiche Erfahrung, um ein vielfältiges Team von Designern und Produktspezialisten zu leiten. Gemeinsam gestalten sie die Zukunft des Designs in einer Vielzahl von Branchen.
Red Dot: Sie haben in Ihrer Karriere bereits für so viele unterschiedliche Kunden gearbeitet. Gibt es da noch etwas, das Sie unheimlich gerne einmal gestalten möchten? Den nächsten großen Apple-Wurf vielleicht?
Omri Bar-Zeev: Ach, das mit Apple ist vielleicht eher ein Klischee. Ich vermute, jeder Designer würde gerne einmal mit Apple arbeiten. Mich reizt es tatsächlich mehr, für mittelständische Unternehmen zu arbeiten und sie wachsen zu sehen. Ihnen dabei zu helfen, die Stufe von Apple oder Samsung zu erreichen, ist ein schönes Ziel.
Welches Segment haben Sie hier gerade vor Augen?
Der Automarkt in China ist gerade sehr dynamisch – es gibt dort großartige Hersteller von Elektroautos. Aber was die Benutzerfreundlichkeit und die Qualität des Designs angeht, haben sie noch einiges zu tun.
Gibt es ein spezielles Produkt, das Sie schon immer gestalten wollten?
Ich interessiere mich sehr für Technologie und Elektronik. Und ich finde Wearables oder IoT-Produkte, die man mit anderen Dingen verbinden kann, reizvoll. Auch Haushaltsgeräte, die sich in ein wohnliches Element verwandeln, sind spannend – ein Luftreiniger, der zur digitalen Statue wird, beispielsweise. Samsung hat diesbezüglich mit seinem »The Frame« einen tollen Job gemacht. Diese schwarze Leinwand im Wohnzimmer – dem wichtigsten Bereich des Hauses – in ein tolles Bild zu verwandeln, ist eine großartige Idee.
Das ist auch genau das, was mein Team bei jedem Design erreichen möchten. Es soll sich in die Umgebung einfügen und zugleich seine Funktion erfüllen.
Was wird die größte kommende Herausforderung für Produktdesigner sein?
Ich glaube, das Wichtigste ist die Nutzerfreundlichkeit, denn die Konkurrenz ist in jedem Marktsegment riesig. Um also ein erfolgreiches Produkt zu sein, muss es vor allem gut funktionieren, aber eben auch ein tolles Erlebnis bieten. Wenn es nur funktioniert, aber keinen Spaß bereitet, damit zu arbeiten, wird die Resonanz in Zukunft nicht groß sein. Als Produktdesigner suche ich immer nach Möglichkeiten, das Nutzererlebnis zu verbessern und die Menschen bei der Verwendung der von uns entworfenen Produkte zu unterstützen.
Wie sehen Sie die zunehmende Einbindung von KI im gestalterischen Prozess?
Ich habe in einigen Artikeln gelesen, dass KI den Menschen womöglich ersetzen wird. Das sehe ich nicht so. KI wird vielmehr Prozesse beschleunigen und uns, den professionellen Gestaltern, helfen, besser zu werden. Letztendlich bietet KI eine weitere –und sehr erstaunliche – Reihe von Werkzeugen. Da kann man jetzt jammern und sich überflüssig fühlen, oder aber man erkennt, wie man diese Werkzeuge bestmöglich für sich nutzt. KI kann Ideen anreichern, wachsen lassen und mir schließlich dabei helfen, effizienter und kreativer zu werden. Damit werden auch meine Kunden ihre Produkte schneller auf dem Markt platzieren können.
Glauben Sie, dass die Formsprache aufgrund der KI internationaler wird?
Das ist eine interessante Frage, aber ich denke, dass im Produktdesign nach wie vor kulturelle Faktoren eine Rolle spielen. Kreative, die KI nutzen, kommen ja aus verschiedenen Regionen und haben ihre eigene Kultur immer im Hinterkopf.
Letzten Endes muss man die KI selbst mit Worten und Befehlen füttern. Es ist ja nicht so, dass man sagt, man möchte einen Tisch und die KI liefert den Tisch, den man sich vorgestellt hat. Wenn man es professionell angeht, muss man für ein gutes Ergebnis eine Reihe von Werten und Eigenschaften eingeben. Ich glaube also nicht, dass ein Einheitsbrei entsteht. Wir werden künftig also diverse KI-Stile von verschiedenen Charakteren und Designern sehen. Photoshop hat ja auch nicht die Welt, sondern nur die Arbeitsweise der Menschen verändert und dabei geholfen, die Erstellung eines neuen Bildes zu beschleunigen.
Sie waren zum ersten Mal Jurymitglied des Red Dot: Product Design. Hat es Sie überrascht, dass man sich relativ schnell über die Qualität eines Produkts einig ist?
Nein, denn wir sind ja alle Profis, die die Qualität der Details, der Materialien und der Nutzung beurteilen. Und es gibt eine Reihe von Regeln dafür, was Designqualität ist. Und wenn diese nicht vorhanden ist, sieht man das auf den ersten Blick. Schwierig ist eher die Beurteilung der Grenzfälle: Wenn sich jemand sehr viel Mühe mit den Details und mit all den anderen Dingen wie Materialien und Oberflächen gegeben, aber das letzte Quäntchen nicht erfüllt hat.
Gibt es derzeit Entwicklungen, die zu echten Game-Changern werden können?
AR ist etwas, das meiner Meinung nach die Welt verändern wird, weil man sich damit nicht in seine eigene kleine Welt zurückzieht, sondern neue Erlebnisse und Informationen über der realen Welt aufbaut. Ich glaube sehr an die »reale« Welt sowie an die Interaktion und mithilfe von AR werden wir viele neue Dinge sehen. Zugleich wird die Technologie hierfür kleiner werden, denn momentan sehen die Brillen ja doch noch komisch aus.
Wird sich damit auch der Beruf des Produktdesigners verändern?
Es gibt ja schon sehr lange verschiedene Ausrichtungen – Produktdesigner, die beispielsweise Stühle entwerfen sowie Produktdesigner, die eher an digitalen Erfahrungen arbeiten. Bei uns im Studio arbeiten sowohl Designer, die sich mit physischen Objekten auseinandersetzen als auch Designer, die sich mit UX/UI beschäftigen. Dabei ist der Übergang einerseits manchmal fließend, andererseits unterscheidet sich die physische und digitale User Experience schon sehr.
Damit wären wir wieder bei den größten Herausforderungen im Produktdesign – die Nutzerfreundlichkeit …
Ja, obwohl mir noch eine weitere eingefallen ist: Zu den größten Herausforderungen zählt auch die Kommunikation – wir Designer werden unsere Leistung künftig besser erklären müssen und dabei vermitteln, dass Design mehr ist, als ästhetische Dinge zu entwerfen. Ich mache mir ja auch Gedanken über die Herstellung, Materialien, nachhaltige Aspekte, die Haptik und vieles mehr. Kunden verstehen oft nicht, warum sie für diesen Prozess so viel bezahlen sollen, wo es doch mit KI vermeintlich ganz einfach ist. Ihnen muss man erklären, dass KI lediglich ein Werkzeug ist. Nur, weil man sich einen Schraubenzieher kauft, ist man noch lange kein Automechaniker.
Gibt es einen Designklassiker, den Sie bewundern?
Sehr viele, unter anderem die Designklassiker von Braun mit ihrer faszinierenden Schlichtheit. Und ich liebe die alten Porsche-Modelle; sie sind so charakterstark.
Haben Sie denn einen?
Leider noch nicht. Ich sehe es als eine Art Kunst an – wie ein Van Gogh-Gemälde, das ich bewundere, aber nie besitzen werde.