Über Selbstverständnis und die tägliche Arbeit: Interview mit thjnk, Red Dot: Agency of the Year 2017 (Teil 1)
thjnk ist eine Agentur mit Sitz in Hamburg, die die Philosophie verfolgt, sowohl für ihre Kunden als auch ihre Mitarbeiter bessere Antworten zu finden – ganz unter dem Motto „Ein einziger Gedanke hat die Kraft, alles zu verändern“. Sie arbeitet von zehn Agenturen aus, die in Berlin, Düsseldorf, Hamburg, München, New York und Zürich beheimatet sind. 2017 wurde thjnk mit dem Ehrentitel „Red Dot: Agency of the Year“ ausgezeichnet. Red Dot sprach mit zweien der Gründer, Karen Heumann und Armin Jochum, darüber, Teil eines Agentur-Netzwerks zu sein, über Selbstverständnis und ihre tägliche Arbeit.
Es gibt kein „I(ch)“ in thjnk
2012 von Karen Heumann, Armin Jochum, André Kemper und Michael Trautmann gegründet, hat thjnk seither einen Eindruck in der Branche hinterlassen, insbesondere da die Gründer zu den erfolgreichsten Strategen und Kreativen Deutschlands zählen. Das Führungsteam wird mittlerweile durch Ulrich Pallas ergänzt. Da sich der Agenturname aus den Nachnamen der Gründer zusammensetzt, steht das K seit dem Abgang von André Kemper für „Kollegen“, um den gemeinschaftlichen Ansatz zu kommunizieren. Pünktlich zum fünften Geburtstag Mitte 2017 wurde thjnk Teil des weltweit agierenden Agenturnetzwerks WPP, wird aber weiterhin als eigenständige Marke geführt.
2017 wurde thjnk fünf Jahre alt. Wir würden Sie die Phase beschreiben, in der die Agentur sich gerade befindet? Steckt sie noch in den Kinderschuhen, in der turbulenten Pubertät oder ist sie schon auf einem guten Weg, erwachsen zu werden?
Armin Jochum: Die Schweizer Kollegen haben da eine schöne Definition: „Grown up Start-up“. Wir versuchen, mit unserer langjährigen Berufserfahrung die pubertäre Phase auszuklammern und sehr erwachsen mutige Entscheidungen zu treffen, damit wir für die Marken, die wir betreuen, ein ernstzunehmender Partner sind. Und auch für unsere Kunden heißt das, mutige Entscheidungen zu treffen.
Kürzlich wurden Sie Teil der WPP-Gruppe. Wie wichtig war dieser Schritt in der Agentur-Entwicklung? Wie fühlt sich das an?
Jochum: Es fühlt sich toll an. Der Schritt war wohlüberlegt und strategisch sehr wichtig, denn das allerletzte, was unsere Kunden wollen, ist ein Partner, der nicht in jeder Dimension auf Augenhöhe ist. Niemand kann in allem top sein. Deshalb haben wir uns von Anfang an Kollaboration auf die Fahnen geschrieben, haben uns mit denen verbunden, die unsere Fähigkeiten am besten ergänzen, wie zum Beispiel mit fischerAppelt für unseren Kunden Deutsche Bahn. Aber wir haben auch schnell gemerkt, dass das bei unserem Wachstum und dem Tempo unserer Zeit immer herausfordernder wird. Schon deshalb, weil man gar nicht wirklich informiert ist, wer was anbietet und in welcher Qualität. Deshalb war ein wirklich exzellentes Expertennetzwerk, an das wir andocken können, unser Ziel. Jetzt haben wir Möglichkeiten, die wir vorher nicht hatten. Das hilft unseren Kunden und unsere Mitarbeiter profitieren davon.
Heumann: „Unabhängig sein“ klingt immer so uneingeschränkt positiv und das Gegenteil „abhängig“ nicht wirklich verheißungsvoll. Aber „unabhängig“ bedeutet im professionellen Kontext eben oft auch „alleine“. Jetzt sind wir nach wie vor selbstbestimmt, denn thjnk bleibt thjnk, und in unseren Entscheidungsstrukturen ändert sich quasi nichts – aber wir sind nicht mehr alleine. Ich habe jetzt spürbar leichteren Zugang zu Spezialwissen, wie zum Beispiel Marktforschungsdesigns oder Datenanalysen. Und täglich entdecken wir weitere Schnittstellen, die einmal nützlich werden könnten.
Lassen Sie uns über Selbstverständnis sprechen. Wie würden Sie thjnk als Agentur charakterisieren?
Jochum: Schon zum Zeitpunkt der Gründung war uns klar, dass es sicher keine weitere Agentur braucht, nur damit wir unseren eigenen Namen am Klingelschild finden. Wir wollten eine Mannschaft aufbauen, die zeitgemäßer ist und mit den
Herausforderungen unserer Branche ganz neu umgehen kann. Wir wollten zum Beispiel im Hinblick auf die Arbeitskultur, die Schreckgespenster der endlosen Nachtschichten und der Selbstausbeutung hinter uns lassen. Und wir wollten mit unserer Gründung die alten Silos überwinden und die entscheidenden Funktionen neu gestalteten, indem wir beispielsweise eine einzigartige Verbindung von Kreation und Strategie schaffen. Es fing alles mit der Überzeugung an, dass unabhängiges Denken unsere Geheimwaffe ist und die Grundlage für ein herausragendes Produkt. Dazu nahmen wir uns die Freiheit, wirklich alles konsequent infrage zu stellen, was unsere Branche bis dato so ausmachte und getan hat.
Heumann: Darin liegt heute auch spürbar der Unterschied. Bei thjnk kämpfen alle dafür, dass wir dem Kunden nur Lösungen vorschlagen, die ein echtes gedankliches Fundament besitzen und langfristig tragen. Mit einem unverwechselbaren kreativen Entwurf und natürlich einem klaren Ziel. Nur dann kann unser Beitrag wirklich Wirkung entfalten.
Jochum: Exakt. Die Wirkung steht im Mittelpunkt! Wir wollen Meinungen und Haltungen verändern. Kluge Kommunikation hat die Kraft, schnell Veränderungen herbeizuführen. Auch – und vor allem – bei Gegenwind und rauer See.
Haben Sie einen Leitgedanken, eine Philosophie?
Jochum: Ein einziger Gedanke hat die Kraft, alles zu verändern. Das ist unser Leitsatz. Wir machen uns frei von Vorbehalten und Vorurteilen, vom „Das geht nicht“. Wir treten dafür erst mal einen Schritt zurück und suchen bei jeder neuen Aufgabe den Leitgedanken. Wenn dieser einmal feststeht, ist es viel einfacher, die Aufgabe umso entschlossener zu verfolgen. Der Grundgedanke trägt dann in Abstimmung mit unserem Kunden den gesamten Prozess.
Auf Ihrer Website finden wir den Satz “There’s no I in thjnk” (Es gibt kein I(ch) in thjnk). Was bedeutet er?
Jochum: Erstens ist es einfach die Wahrheit. Zweitens sind wir nicht „ego-driven“. Daher gibt es kein „I“ in thjnk. Aber es ist auch irgendwie wichtig, sich daran zu erinnern und sich dessen jeden Tag bewusst zu sein, denn natürlich haben wie ein starkes Ego.
Gibt es noch Verbesserungspotenzial?
Heumann: Gerade die Werbebranche ist eine sehr arbeitsintensive. Daher wollten wir von Anfang an mehr „Zeitwohlstand“ für die Menschen, die bei uns arbeiten. Aber der Spagat „Dienstleister mit Premiumanspruch und Zeitwohlstand“ ist auch eine sehr schwere Übung, bei der wir an echte Machbarkeitsgrenzen stoßen. Wir hätten gerne noch deutlich mehr Freiheit für unser Team.
thjnk ist eine Full-Service-Agentur. Welche Disziplin nimmt derzeit den meisten Raum in Ihrer täglichen Arbeit ein?
Jochum: Völlig unabhängig von Disziplinen: Das Denken nimmt den meisten Raum ein. Dann kommt die Organisation der Lösung, für die es heute weit weniger Zeit gibt als früher. Die Geschwindigkeit ist eine große Herausforderung. Deshalb sind wir in umfangreichen Projekten immer so aufgestellt, dass alle maximal schnell und parallel starten können.
Heumann: Vielleicht noch ein paar Worte zum „Denken“: Wie bei vielen Belangen im Leben, ist auch in unserem Geschäft die Formulierung der Frage mindestens so wichtig wie die Antwort. Deshalb ist den zentralen Punkt der Aufgabe wirklich zu verstehen, die große konzeptuelle Herausforderung. Das beinhaltet, mit dem Auftraggeber zu diskutieren, ob es sich tatsächlich um den Knackpunkt handelt. Das geht nur mit einer absolut offenen Kommunikation. Und dem Bekenntnis, gemeinsam etwas bewegen zu wollen.
Red Dot: Agency of the Year 2018
Am 26. Oktober 2018 wird die Red Dot: Agency of the Year 2018 im Rahmen der Red Dot Gala offizielle geehrt. Den neuen Preisträgern wird dann die Wandertrophäe „Stylus“ vor 1.400 internationalen Gästen überreicht.
Rückblick Red Dot Gala 2017: