Neue Seiten aufschlagen: lang lebe Print
Es könnte der Verdacht aufkommen, dass sich mit zunehmender Digitalisierung das Kapitel von Printmedien langsam schließt. Dagegen steht die Entwicklung zu immer höherer Produktqualität, die den Leser mit kreativen Wegen für sich einnimmt. Printmedien erster Güte werden im Red Dot Award: Brands & Communication Design ausgezeichnet. Nur die besten Gestaltungsideen können die hochkarätige Jury überzeugen, die nach wie vor hinter der Relevanz von Printmedien steht. Dass gedruckte Publikationen noch immer einen hohen Stellenwert haben, weiß auch Red Dot-Jurorin Bettina Schulz: „Print ist neben allen digitalen Inhalten eine wichtige zweite Säule in der Kommunikation, mit der bestimmte Werte ausgedrückt werden können und eine ganz andere Wahrnehmung erzeugt wird.“ Wie vielseitig Print ist, zeigen diese vier Arbeiten.
Zeitreise der anderen Art
Eine längst vergangene Zeit wird mit dem Buch „Es wird Nacht im Berlin der wilden Zwanziger“ von TASCHEN zum Leben erweckt. Die Gestaltung von Robert Nippoldt erzählt die Geschichten der großen Künstler und Schriftsteller, Schauspieler und Regisseure der 1920er Jahre in Berlin. Mit handgezeichneter Typografie im Stil von Lichtwerbung, Plakaten, alten Filmen und Filmpostern illustriert und gestaltet, stellt das Buch den Erfolg von Kunst in einer Zeit voller technologischer und gesellschaftlicher Innovation, sozialer Kontraste und politischer Unruhen dar. Abgerundet wird das Red Dot-prämierte Werk durch die Übersetzung von musikalischen und filmischen Elementen in die grafische Welt des Printmediums Buch.
Inhalt zum Anfassen
Das mit dem Red Dot ausgezeichnete Magazin „MATERIAL“ des Lasalle College of the Arts macht den Namen zum Programm und greift die Brutalismus-Thematik der halbjährlich erscheinenden Ausgabe mit allen Facetten von Print auf. So spiegelt das Design von Macarius Eng die imperfekten, rauen und kalten Merkmale des Brutalismus exzellent wider. Die Titel orientieren sich gestalterisch an den unvollkommenen Rohbetongebäuden, welche die Typografie ebenfalls facettenreich aufgreift, indem sie die rohe Ästhetik von digitalen Menüs einarbeitet.
Jean Jacques Schaffner, langjähriges Mitglied der Red Dot Jury, weiß aus Erfahrung zu berichten: „Nicht in allen Bereichen ist Print nach wie vor beliebt und sinnvoll. Der Niedergang der Tageszeitungen zeigt deutlich, dass Informationsvermittlung durchaus auch ohne Print auskommt. Doch Sinnlichkeit und Materialität sind nicht tot. Schön gemachte Jahresberichte, Modemagazine, Geschäftsdrucksachen und Einladungen zu Events stehen hoch im Kurs. Tasten und Riechen ist nach wie vor wichtig, aber nicht immer.“
Seiten getränkt in Alkohol
Die Präsenz des Kernthemas Alkohol wird sofort deutlich, schlägt man das „Charles Bukowski Glitch Book“ von Luta Sprava auf, das mit einem Red Dot: Best of the Best ausgezeichnet wurde. Der Underground-Schriftsteller Bukowski galt mit seinen Arbeiten über Alkoholiker, Prostituierte, Spieler und Verlierer der amerikanischen Gesellschaft als Ausreißer der modernen Literatur. Das durch einen Flachmann auf dem Cover zentral visualisierte Thema „Alkohol“ leitet durch eine sich sukzessiv leerende Weinflasche mit zeitgleich steigendem Promillewert durch das Buch. Seine Texte, voller gewalttätiger und sexueller Bilder, werden in dem Buch durch Zeichnungen und Illustrationen in schwarz, weiß und rot, mit der Hilfe von phantasievoller Typografie, Symbolik und Kontrasten, dargestellt. Mit hoher Bildqualität, sowie der einnehmend gestalteten Typografie, die den Leser in Bukowskis Welt mittnimmt, ohne nur ein Wort lesen zu müssen, begeisterte die Agentur Tough Slate Design mit ihrer Gestaltung die Red Dot Jury.
Am Puls der Zeit
Zu den 2018 mit dem Red Dot: Best of the Best prämierten Werken darf sich auch ein Bildband von Fotograf Armin Walcher zählen. Das Buch „Zeit-los in Bewegung“ beschäftigt sich mit den Gegensätzen von Flexibilität und Stabilität sowie gesellschaftlichem Wandel und Tradition. Im Fokus stehen dreißig Menschen aus Ausseerland, dem geografischen Zentrum Österreichs. Anhand von Porträts, die ihre bewegenden Geschichten erzählen, ergänzt um wunderschöne Panorama- und Detailaufnahmen der Lebenswelt, wird eine natürliche, ehrliche und voll aufregender Gelassenheit strahlende Bildsprache geschaffen. Die qualitativ exzellenten Fotografien, ergänzt um die eigenverantwortliche und differenzierte Komposition von Text und Bild mit visueller Tiefe, überzeugte die Red Dot Jury als Arbeit von absolut vorbildlicher Qualität.
Hoher Stellenwert von Printmedien im Red Dot Award: Brands & Communication Design
Wie können Print- und Online-Medien in Zukunft nebeneinander bestehen? „So wie auch Fahrrad und Auto, Kino und Fernsehen bislang nebeneinander bestehen – jedes Medium hat seine Stärke, die es zu nutzen gilt“, erklärt Bettina Schulz.
Formschöne, qualitativ hochwertige Printarbeiten überzeugen nach wie vor – wie die 2018 im Red Dot Award ausgezeichneten Arbeiten sowie die Stimmen der Jury zeigen. Nur die besten Arbeiten erhalten im Wettbewerb eine Auszeichnung. Welche dies 2019 sind, darüber werden unter anderem Bettina Schulz und Jean Jacques Schaffner als Teil der Jury mitentscheiden. Nur noch bis einschließlich 28. Juni ist die Anmeldung zum Red Dot Award: Brands & Communication Design 2019 in der Kategorie „Publishing & Print Media“ sowie in 16 weiteren Kategorien möglich.