Red Dot Award: Brands & Communication Design

Markenbildung im Fußball

Fußball ist längst mehr als nur ein Sport: Er ist ein globales Phänomen, das starke Emotionen weckt und Kulturen durch eine gemeinsame Begeisterung miteinander verbindet. Anfangs als nicht wirklich relevant erachtet, spielt Design heute eine zentrale Rolle für Vereine, Verbände, Spieler und Fans gleichermaßen.

In einem exklusiven Interview mit Professor Dr. Peter Zec wird der Einfluss von Design auf die Fußballkultur beleuchtet. 

Visuelle Identität und emotionale Bindung

Die visuelle Identität eines Vereins oder einer Nationalmannschaft – dargestellt durch Logos, Farben und Trikots – trägt wesentlich zur emotionalen Bindung der Fans bei. Die Organisation von großen Turnieren wie der UEFA-Europameisterschaft führt daher oft zu hitzigen Diskussionen über die Trikots, dem wohl wichtigsten Identitätsmerkmal einer Fußballmannschaft. In diesem Zusammenhang sorgte kürzlich das aktuelle Trikot der deutschen Nationalmannschaft für Aufruhr und machte deutlich, dass heutzutage nicht mehr nur die spielerischen Fähigkeiten der Mannschaften relevant sind, sondern auch das Branding. 

Stadionarchitektur zwischen Live-Erlebnis und Werbetafeln

Europas größtes Fußballstadion ist das bekannte Camp Nou in Barcelona. Fast 94.000 Fans können hier der Heimmannschaft, dem FC Barcelona, und ihren Gegnern beim Kicken zuschauen.

Vor allem die neueren Stadien sind darauf ausgelegt, Zuschauern und Spielern eine möglichst gute Zeit zu bescheren. Neben ausgeklügelten Sicherheits- und Gastronomie-Konzepten hat das Branding der Stadien höchste Priorität. Schließlich sollen Gäste direkt wissen, mit wem sie es zu tun haben und die Fans sollen sich heimisch fühlen und möglichst viele Berührungspunkte mit ihrem Verein haben.

Darüber hinaus werden Fußballstadien selbst zu Werbetafeln: Ein Beispiel hierfür bietet die Allianz Arena in München, die 2016 drei Tage lang für Werbezwecke einem riesigen Burger glich. Dieses Projekt wurde im Red Dot Design Award prämiert.

Fußballer als Testimonials für Verein und Werbepartner

Stadien und Merchandise dienen als erstes Mittel zur Markenbildung und äußeren Identifizierung von Fans mit ihrem Verein. Neben den Stadien, die eine Art Heimat bilden, sind auch die Spieler ein wichtiger Teil des Vereinsmarketings. Denn die Personen, die auf dem Platz stehen, sind nicht nur die, die die sportlichen Erfolge einfahren sollen. Im Idealfall werden sie zur Identifikationsfigur und zum Sympathieträger des Vereins.

Auch sind Profifußballer spannend für Marken. Als Testimonials erreichen sie eine junge und dynamische Zielgruppe. Im Umfeld von großen Turnieren wie einer Europameisterschaft sogar eine Personengruppe, die kein Fan von einem bestimmten Verein ist.

So war Mario Götze 2018 Testimonial und Gesicht des Samsung Fußball WM Kinospots, obwohl er nicht für die deutsche Nationalmannschaft nominiert wurde. Der Werbespot stellt nicht seine Triumphe, sondern die Niederlagen seiner Karriere in den Mittelpunkt. Der Spot wurde 2019 mit einem Red Dot ausgezeichnet.

Vom Spielfeld ins tägliche Leben - Interview mit Professor Dr. Peter Zec

Auch die großen internationalen Turniere haben eine Strahlkraft über den Fußballkontext hinaus bis in die Popkultur. Lieder, Farben und Maskottchen begleiten sowohl die Fans für eine gewisse Zeit als auch diejenigen, die sich überhaupt nicht für den Verlauf des Turniers interessieren. Dies zeigt, dass Markenbildung im Fußball schon längst nicht mehr nur auf dem Spielfeld relevant ist, sondern auch verschiedene Bereiche unseres täglichen Lebens beeinflusst. Oftmals, ohne dass wir es überhaupt bemerken. 

In einem exklusiven Interview gibt Professor Dr. Peter Zec, Initiator und CEO von Red Dot, Einblicke in die vielschichtige Schnittstelle zwischen Design und Fußball:

Wie hat sich das Designbewusstsein im Fußball in den letzten Jahrzehnten verändert?

Prof. Dr. Peter Zec: Am Anfang ging es nur um die Bestimmung der Vereinsfarben und die Gestaltung des Vereinswappens. In dieser Phase spielte Design auf der Vereinsebene noch keine Rolle. Anders war es bei der Ausstattung der Spieler. Am Anfang standen dabei die inzwischen berühmten Adidas Fußballschuhe der deutschen Nationalmannschaft beim Finale der Weltmeisterschaft 1954 in Bern. Adi Dassler hat sie erfunden und dadurch sowohl die Form und Funktion und damit das Design von Fußballschuhen revolutioniert, indem er die Schuhe mit sogenannten Schraubstollen ausstattete. Damals sprach noch niemand von Design. Das veränderte sich erst mit der zunehmenden Medialisierung des Fußballs durch private Fernsehsender. Zuerst waren es die Bälle, die von Adidas zu besonderen Ereignissen wie Welt- und Europameisterschaften jeweils neugestaltet wurden. Einhergehend damit veränderte sich auch immer wieder das Design der Schuhe. 

Dieser Prozess wurde durch konkurrierende Markenanbieter wie Adidas, Puma und Nike permanent beschleunigt, bis schließlich sogar die Markenbindung für die Spieler aufgehoben wurde. Seitdem bestimmt jeder Spieler selbst über die Auswahl seiner Schuhe. Dabei spielt das Design eine nicht unbedeutende Rolle. Durch die mediale Omnipräsenz des Fußballs erkannten auch die Vereine die Wichtigkeit des Designs für einen markanten Auftritt der Mannschaft. Fanshops wurden eingerichtet, in denen die sich von Saison zu Saison ändernden Heim- und Auswärtstrikots verkauft werden. Heute kann es sich kein Profi-Club mehr leisten, die Rolle des Designs zu unterschätzen.

„Durch die mediale Omnipräsenz des Fußballs erkannten auch die Vereine die Wichtigkeit des Designs für einen markanten Auftritt der Mannschaft.“

Vereine sind zu globalen Marken geworden, die neben den eingefleischten Fans eine breite Zielgruppe ansprechen wollen. Was hat dieser Wandel im Marketing der Vereine verändert?

Früher gab es in Vereinen kein Marketing. Alles drehte sich nur um den sportlichen Erfolg. Mit der Medialisierung setzte dann auch die Kommerzialisierung des Fußballs ein. Damit ging gleichzeitig die Einführung des Marketings einher. Sportlicher und wirtschaftlicher Erfolg müssen seitdem in Einklang gebracht werden. Die damit einhergehende Kommerzialisierung des Fußballs wird immer wieder besonders von den Ultras unter den Fans angeprangert. Das ändert jedoch nichts daran, dass sich inzwischen jeder Verein als Marke positionieren muss, um überlebensfähig und erfolgreich zu sein.  

In Italien ging man so weit und tilgte im Logo von Inter Mailand den Zusatz „FC“ – ist das ein konsequenter Schritt in der Markenbildung oder löst sich ein Fußballverein damit zu sehr von seinem Kerngeschäft, nämlich ein „FC“ zu sein?

In der italienischen Sprache wird Fußball als Calcio bezeichnet. Deshalb spielt dort das FC im Wappen eines Vereins nicht so eine große Rolle wie in anderen Ländern. Außerdem war das FC im alten Vereinswappen sehr schwer zu erkennen. Es war etwas unübersichtlich, fast schon chaotisch gestaltet. Durch den Verzicht des FC wirkt das Wappen jetzt deutlich „aufgeräumter“ und klarer. Damit wurde ein erfolgreicher Schritt vom Wappen zum Logo vollzogen. Das Kerngeschäft, ein FC zu sein, ist davon nicht betroffen. Für die Markenentwicklung ist das aber sicher ein Vorteil. Übrigens gibt es in Deutschland mehrere Fußballvereine, die aus Vereinen für Leibesübungen hervorgegangen sind und deshalb VfL im Wappen stehen haben. 

Wie feinfühlig müssen Designer z.B. beim Rebranding eines Vereins sein, um die Traditionalisten, die langjährigen Fans, nicht zu verärgern?

Designer müssen bei der Gestaltung von markenrelevanten Elementen des Vereins sehr sensibel und verständnisvoll vorgehen. Dabei müssen sie oft einen Spagat zwischen Tradition und Innovation machen. 

Besonders nah an den Fans sind die Mannschaftstrikots. Mit ihrem Look steht und fällt zwar nicht gänzlich die Liebe zum Verein, jedoch aber häufig das Interesse am Trikot als Lifestyle- bzw. Modeaccessoire. Welche Aspekte gibt es Ihrer Meinung nach bei der Gestaltung von Trikots unbedingt zu beachten?

Trikots haben in erster Linie die Funktion der Identifikation. Gleichzeitig sind sie wichtige Touchpoints des Vereins als Marke. Das Design wird eher durch modische Aspekte bestimmt. Sie sollten dem Zeitgeist in der Mode entsprechen. Gleichzeitig müssen aber auch die Spieler darin attraktiv und dynamisch aussehen. 

Können Sie den Aufruhr um das aktuelle Trikot der Deutschen Nationalmannschaft nachvollziehen?

Nein, die grünen Auswärtstrikots fand ich sehr viel schlechter. Den Spielern stehen die Trikots, vor allem wenn sie darin gewinnen. 

Einige Vereine haben sich eine eigene Schriftart entwickeln lassen. In Deutschland beispielsweise Hertha BSC, deren Font auch im Red Dot Award: Brands & Communication Design ausgezeichnet wurde. Wie prägend ist eine Schriftart im Markenbild von Fußballvereinen?

Schriftarten haben einen prägenden Einfluss auf das Corporate Design, welches wiederum wichtiger Bestandteil einer Marke ist. Das gilt für Fußballvereine genauso wie für alle Unternehmen, die auf Identifikation, Prägnanz und Authentizität setzen. Deshalb macht es Sinn, auch den Markenauftritt von Fußballvereinen mit einem markanten Corporate Design zu versehen, wozu nicht zuletzt auch eine eigene Schriftart zählen kann. Aber genauso wie bei Wirtschaftsunternehmen muss an erster Stelle immer der Erfolg stehen. Dieser kann auch durch die beste Markenbildung nicht ersetzt werden.

„Die Schweden sind keine Holländer – das hat man ganz genau gesehen“, sagte einst Franz Beckenbauer. Er bezog sich damit selbstverständlich auf ihre Spielweisen. Man kann sich auf der Grundlage aber auch fragen: Hat jede Nation im Fußball eine Gestaltungslinie, anhand derer man sie erkennen kann?

Italien gilt als eine große Nation für Mode und Design. So tritt auch die italienische Nationalmannschaft auf. Italienische Fußballer sind vom Trainingsanzug bis zum Trikot auf dem Platz immer sehr gut gekleidet. Das gilt übrigens auch für die Franzosen. Die Deutschen bemühen sich seit einigen Jahren darum, ihr Kämpferimage durch modischere Trikots zu überwinden.