Typotheque

Seit der Gründung 1999 wirbelt Typotheque die internationale Typo-Szene auf: Mit ihren Fonts gibt die Schriftschmiede der Sprache nicht nur eine Form, sondern verschiebt dabei nicht selten auch die Grenzen der Technologie. Unzählige internationale Auszeichnungen würdigten dieses Engagement ebenso wie das Kunstmuseum in Den Haag, das 2019 seine bislang einzige Typographieausstellung den Arbeiten von Typotheque widmete. Und wenn Gründer und Creative Director Peter Biľak für seinen Beitrag zur nichtlateinischen Typographie von der Architekturzeitschrift Metropolis als „Game-Changer“ betitelt wurde, impliziert das auch, dass der kreative Kopf weit über das reine typographische Handwerk hinaus denkt.

Interview mit Typotheque

Red Dot: „November“ wurde in Zusammenarbeit mit 60 Designern aus der ganzen Welt entwickelt – wie kam es dazu?
Typotheque: Da die Kommunikation immer globaler wird, fehlen uns Werkzeuge, die einen kulturübergreifenden und internationalen Austausch ermöglichen. Es gab zum Beispiel keine Schriftart für die Ureinwohner Nordkanadas oder keine Schriftarten mit mehreren Schnitten für einige indische Sprachen. Wir wollten uns allen lebenden Sprachen so nähern, wie unserer eigenen, und Fonts entwickeln, die sie auf respektvolle Weise unter Berücksichtigung höchster Design- und Technologiestandards unterstützen. Dies ist eine dringend notwendige Arbeit, nicht nur für globale Unternehmen, sondern auch für unterrepräsentierte Sprachgemeinschaften.

Was war die größte Herausforderung bei diesem Projekt?
Wir haben verstanden, warum sich andere nicht mit den Weltsprachen beschäftigen – es ist sehr zeitaufwendig, sie zu erforschen. Wenn man eine lateinische oder griechische Schrift entwirft, kann man Bücher oder Websites über diese Sprachen konsultieren, bei asiatischen oder afrikanischen Sprachen funktioniert das nicht. Wir mussten weit reisen, Archive besuchen, historische Quellen suchen, Menschen interviewen und die Grenzen der Technologien verstehen. Unsere derzeitigen Tools für die Schriftentwicklung unterstützen beispielsweise die komplexen indischen Sprachen nicht ohne Weiteres, also mussten wir neue Produktionsabläufe entwickeln.

Wie vielen Sprachen werden mit November abgedeckt?
Wir haben alle lebenden Sprachen der Welt berücksichtigt, aber mit jenen begonnen, die von den größten Gruppen von Menschen gesprochen werden. In Indien, wo es 418 Sprachen gibt, haben wir uns zunächst auf die offiziell anerkannten Sprachen konzentriert und dann als Schwelle für die Aufnahme eines Schriftsystems 0,1 Prozent der Bevölkerung festgelegt. Gegenwärtig umfasst November 27 Schriftsysteme, die Hunderte von Sprachen und über 90 Prozent der Weltbevölkerung abdecken.

Die Entwicklung dauerte acht Jahre – woher nimmt man dieses Durchhaltevermögen?
Die Motivation, die uns bei der Stange gehalten hat, war die Wirkung dieses Projektes. Ich habe Situationen erlebt, in denen Menschen in Tränen ausbrachen, als sie ihren Namen zum ersten Mal in der richtigen Schreibweise sahen. Wir nehmen diese Verantwortung sehr ernst, und es ist sehr motivierend, wie unsere Arbeit dazu beitragen kann, Sprachen zu erhalten.