Red Dot Award: Communication Design

Interview mit Simone Labonte von Audi

Über Corporate Identity, Digitalisierung & die Audi-Ringe: Interview mit Simone Labonte von Audi, Red Dot: Brand of the Year 2017 (Teil 2)

Audi überzeugte über viele Jahre hinweg im Red Dot Award: Communication Design mit prägnanter Kommunikation, konsequenter Markenführung und effektiver Zusammenarbeit mit kreativen Partnern wie loved, thjnk, KMS TEAM, BLACKSPACE und STRICHPUNKT DESIGN. Daher wurde der Automobilhersteller 2017 zum fünften Mal mit dem Ehrentitel „Red Dot: Brand of the Year“ ausgezeichnet. Im zweiten Teil des Interviews mit Red Dot spricht Simone Labonte, Head of Corporate Identity and User Interface bei Audi, über Corporate Identity, Digitalisierung und die Neugestaltung der Audi-Ringe.

Frau Labonte, als Sie 2014 als Head of Corporate Identity and User Interface bei Audi zu Ihren Wurzeln zurückgekehrt sind, hatten Sie da bereits ein klares Konzept vor Augen, was Sie alles ändern wollten?

Labonte: Als ich die Abteilung übernahm, wurde sie noch immer basierend auf dem klassischen Corporate Design geführt. Der Begriff „User Interface“ wurde erst ein Jahr später hinzugefügt. Diese Veränderung wird ersichtlich, wenn man sich Audis neue Corporate Identity anschaut. Das Unternehmen hatte ein sehr umfangreiches Regelwerk für das Corporate Design. Das brachte die Schwierigkeit mit sich, dass Ausnahmen die Regel wurden und dass diese Ausnahmen wiederum geregelt werden müssen. Audi hat zweifellos eine strenge Corporate Identity, aber mit der Zeit hat das zu einer Fülle von Regeln und ebenso vielen Ausnahmen geführt, die hinsichtlich der Digitalisierung der Marke einfach nicht mehr zeitgemäß waren.

Haben sich die Kernelemente der Marke durch die digitale Transformation verändert?

Labonte: Die Kernelemente der Marke selbst haben sich nicht verändert, aber die Art, wie sie gehandhabt werden sicherlich. Was zurzeit nicht nur von der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, sondern auch bei Audi intensiv diskutiert, ist die Art und Weise, wie die vier Ringe genutzt werden.

Der Wechsel von der 3D Gestaltung zur 2D Gestaltung ist unverkennbar. Was bedeutet das „Digital first“-Prinzip vor diesem Hintergrund?

Labonte: Das „Digital first“ Prinzip ist auf das kleinste technische Gerät ausgerichtet. Die CI, die Kernelemente der Marke und das Branding müssen zum Beispiel auch auf einer Smartwatch funktionieren. Daraus ergibt sich die Frage, wie die vier Ringe dargestellt werden können, die sonst immer in einem bestimmten Rahmen festgelegt wurden. Die heutigen Smartwatches sind jedoch so klein geworden, dass das Logo am besten in der Mitte solch kleiner Displays platziert wird. Wir beginnen mit dem kleinsten Gerät und übertragen diese Designprinzipien dann auf alle anderen Berührungspunkte der Marke. Während der Relaunch 2009 noch deutlich von einem analogen Ansatz gekennzeichnet war, war der Relaunch 2016 von einem digitalen Ansatz geprägt. Aus diesem Grund läuft die Abteilung heute unter dem Namen Corporate Identity and User Interface: Das Interface ist ein zentraler Berührungspunkt in der digitalen Transformation. Es war zweifelsohne auch schon vorher wichtig, aber Interfaces haben in den letzten Jahren enorm an Bedeutung gewonnen, da sie oftmals im Mittelpunkt des Erstkontaktes mit der Marke Audi stehen. Dies bedeutet viel mehr als der Farbcode und der Schriftzug der Marke. Dazu gehört auch eine grafische Benutzeroberfläche, die wiederum das Erscheinungsbild der Interaktionselemente bestimmt. Im Grunde genommen deckt dies alle Aspekte ab, die wir im Corporate Design traditionell nicht berücksichtigt haben.

Läuft es also auf einen “Alles ist möglich”-Designansatz hinaus?

Labonte: Nein, nicht alles ist möglich. Der größte Paradigmenwechsel war der Übergang von strengen CI-Richtlinien zu einfacheren Designprinzipien. Diese Designprinzipien sind klar definiert. Sie erlauben beispielsweise nicht die Veränderung der Ringe. Die Ringe dürfen getrimmt werden, aber sie müssen in ihrem Aufbau immer erkennbar sein. In diesem Sinne haben sich die CI-Richtlinien erfolgreich in eine Reihe einfacherer Gestaltungsprinzipien verändert. Die Corporate Identity-Plattform von Audi verfügt nun über eine Reihe neuer Interaktionselemente, wie den Ringgrößenkalkulator, der es Designagenturen erleichtert, die benötigte Größe und den Abstand des Logos zu bestimmen. Die Ringgröße wird automatisch auf Basis der gewählten Schriftgröße berechnet. Nutzer müssen nicht mehr die unzähligen PDF-Dateien durchblättern, um die richtige Größe zu bestimmen.

Einfacher und besser zur gleichen Zeit!?

Labonte: Mit der kreativen Freiheit, die diese Veränderungen mit sich bringen, gibt es zu Anfang auch immer ein wenig Unsicherheit darüber, wie die neuen Designprinzipien anzuwenden sind. Vertrauen und Sicherheit wachsen jedoch mit dem täglichen Gebrauch und der Anzahl erfolgreicher Designbeispiele.

Wie können Signatur und Wiedererkennungswert der Marke Audi erhalten bleiben, wenn der Spielraum im Design erweitert wird?

Labonte: Veränderungen im Design sind natürlich auch immer mit Fragen bezüglich der Corporate Identity und der globalen Konsistenz der Marke verbunden. Sobald die Gestalter jedoch ein grundlegendes Verständnis der Marke entwickelt haben, führen solche Veränderungen zu einer besseren Qualität. Darüber hinaus hilft die kreative Freiheit dabei, spannendere Ergebnisse zu gestalten, die die Marke wiederum lebendiger machen. CI-Richtlinien sollten nicht zu streng sein. Sie mögen wichtig und angemessen sein, um eine globale Konsistenz und Wiedererkennung der Marke zu schaffen, aber sie sollten niemals die Kreativität und Vitalität der Marke einschränken.

Das klingt paradox: Auf der einen Seite sind Gestalter für das Design der Corporate Identity-Richtlinien zuständig, aber auf der anderen Seite versuchen sie stringent definierte Richtlinien in Frage zu stellen.

Labonte: Man darf die Signatur und die DNA der Marke niemals aus den Augen verlieren. Doch die Marke will und muss auch lebendig sein. In der klassischen Markenkommunikation müssen Gestalter den strengen CI-Richtlinien manchmal bewusst entgegenwirken.

Wie entwickelt sich ein neues Verständnis bei der Anwendung grundlegender Elemente von Gestaltung und Kommunikation?

Labonte: Die Designagenturen sind in diesem Punkt stark gefordert, denn die kreative Freiheit, die Audi nun bietet, zielt vor allem darauf ab, die Wirkung des Gesamtlayouts zu verbessern. Neben den Kernelementen der Corporate Identity, die die Marke charakterisieren – und die wir nicht geändert haben, wie den Audi-Schriftzug und die Markenfarben Rot, Silber und Weiß – ist die visuelle Identität ein wesentlicher Bestandteil. Es geht heutzutage nicht mehr so sehr darum, das Fahrzeug in einer künstlichen Umgebung zu präsentieren, sondern um ein emotionales Erlebnis, das die Spitzenqualität der Marke unterstreicht und gleichzeitig ein natürliches, realistisches Image fördert. Das bringt Vielfalt und Lebendigkeit in die Markenkommunikation.

Sie haben bei Audi mit vielen verschiedenen Agenturen zusammengearbeitet. Wie stellen Sie sicher, dass sie die neuen Designprinzipien verstanden haben und entsprechend anwenden?

Labonte: Eine wichtige Grundlage für ein gemeinsames Verständnis ist sicherlich die neu entwickelte CI-Plattform im Internet. Sie bietet neben den Designprinzipien auch Details, die es Projektmanagern und Gestaltern so einfach wie möglich macht, schnell Lösungen für die Umsetzung zu finden. Die Plattform bietet viele Elemente zum einfachen Download und zur Integration in ein grafisches Konzept an. Dies fördert die Fähigkeit, schnelle und gute Lösungen zu finden.

Könnten Sie bitte etwas mehr zum Prinzip der audi.com/ci Internetplattform erzählen?

Labonte: Gerne. In der Vergangenheit war der Zugang zu der Plattform reguliert und nur nach einer Registrierung möglich. Das hat sich grundlegend verändert. Wir haben die Internetplattform öffentlich zugänglich gemacht, denn im Grunde genommen findet man dort keine geheimen Inhalte. Natürlich gibt es einen rechtlichen Rahmen, der die externe Nutzung der Designelemente zu Werbezwecken verbietet. Zudem muss das Hauptdesignprinzip „Spiel nicht mit den Ringen“ beachtet werden. Bisher haben wir positive Erfahrungen damit gemacht, denn viele Nutzer der Plattform haben so ein Interesse an der Marke entwickelt. Für Audi ist die Plattform ein sehr wichtiges Werkzeug geworden. Es ergibt keinen Sinn, eine Corporate Identity zu entwickeln und diese dann nicht verfügbar zu machen. Außerdem gibt es keine PDF-Dateien mehr.

Audis neue CI-Plattform zeigt die Marke selbst als ihren Inhalt und stellt sie in den Mittelpunkt des Nutzererlebnisses.

Labonte: Nun, das Interface wird zur Marke. Das ist genau das, was wir mit der CI-Plattform in einem ersten Schritt zeigen wollen. Und in diesem Sinne waren und sind Prinzipien wie Benutzerfreundlichkeit und Freude am Gebrauch sehr wichtig für die Entwicklung der Plattform als Arbeitsinstrument.

Highlights der interaktiven CI-Plattform umfassen Tools wie den „Größenkalkulator“, das „TVC-Ending“ und die „Icon Bibliothek“. Der interaktive Ansatz der Tools weist auf einen markenprägenden Effekt hin.

Labonte: Ja, die Interaktion definiert die Marke. Die vier Ringe verweisen nicht nur auf den Absender der Nachricht, sie selbst sind die Protagonisten. Daher haben sie auch einen neuen Platz im Layout bekommen, nicht nur, um den Absender zu identifizieren oder um als Logo zu dienen, das sich irgendwo, unten rechts oder oben rechts, im Layout befindet. Wir haben das gleiche mit den TVC-Endings gemacht. Wenn man sie sich im Detail anschaut, wird deutlich, dass die Ringe nicht einfach als zusätzliches Element vor einem schwarz-verblassten Hintergrund erscheinen, sondern Teil des Video-Inhalts werden. Gleiches gilt für die Icon Bibliothek für die verschiedenen Berührungspunkte. Wenn wir ein umfassendes Usererlebnis anstreben, brauchen wir auch eine einheitliche Gestaltung der Icons, inklusive derer für das Fahrzeuginnere.

Wenn man sich die Gestaltung anschaut, wird der Trend zum Flat Design deutlich. Folgt Audi dabei anderen großen Marken wie Apple, Google oder Amazon?

Labonte: Der Trend zum Flat Design ist kein Selbstzweck, sondern durch die Digitalisierung bedingt. Er zielt einfach darauf ab, die Marke in digitalen Medien technisch umzusetzen und deutlich wahrnehmbar zu machen. Die klassischen Ringe in der 3D-Version bleiben natürlich bestehen und werden überall dort eingesetzt, wo es Sinn macht: auf Fahrzeugen und Gebäuden. Und überall dort, wo aus technischen Gründen eine 2D-Gestaltung benötigt wird, sind und bleiben wir in der Präsentation der Marke treu und authentisch.