„Homo Ex Data“: Professor Dr. Peter Zec über Design im Zeitalter der Digitalisierung
Big Data, starke Vernetzung, Automatisierung – die Digitalisierung bestimmt unseren Alltag. Sie betrifft uns alle und sorgt für einen umfassenden Wandel in jedem Lebensbereich. Mit dieser Veränderung geht laut Professor Dr. Peter Zec, Initiator und CEO des Red Dot Awards, die Entstehung eines neuen Menschentypus einher: Homo ex data. In einer durch Datentransfer organisierten Welt rücken Natürlichkeit und digitale Technik immer weiter zusammen. Doch welche Rolle spielt Design in dieser neuen Welt?
Homo sapiens: Überlebenskampf überlagert Gestaltung
Genau diesem Thema widmet sich Design-Experte Professor Dr. Peter Zec in seinem Artikel „Homo Ex Data“. Um zu verstehen, wie Design und Digitalisierung in der heutigen Zeit zusammenspielen, beginnt er zunächst, die Vergangenheit zu reflektieren und stellt fest, dass das Leben unserer urzeitlichen Vorfahren maßgeblich vom Willen zum Überleben in der Natur geprägt war. In ihrer sogenannten „ersten Natur“ wirkten die Menschen dem Schicksal der Machtlosigkeit entgegen, indem sie neue, kreative Ansätze für den Überlebenskampf entwickelten. Der Homo sapiens erschuf erste Werkzeuge, die diesem Zweck dienen sollten. Gestaltung spielte zu diesem Zeitpunkt noch keine Rolle.
Homo faber: Design verbindet Technik und Mensch
Erst mit der fortschreitenden Industrialisierung geht die Entwicklung des Designs als eigenständige Disziplin einher. Die zweite Natur des Menschen, die durch die Technik entstand, zeichnet sich durch in Serienproduktion erzeugte Produkte aus. Die Herausforderung für den Homo faber bestand darin, maschinell hergestellte Produkte zu erzeugen, die das Leben der Menschen bereichern und vereinfachen. Das aktive Mitgestalten, Kultivieren und Beherrschen der Umwelt kennzeichnet diesen Menschentypus. Die Aufgabe von Design war es, die Technik mit einer gesellschaftlich anwendbaren und verwertbaren Form zu verbinden. Die Verknüpfung des Künstlichen mit dem Natürlichen stand dabei stets an erster Stelle.
Homo ex data: Generierung von komplexen Systemen
Mit dem Homo ex data tritt die Evolution der Menschheit im 21. Jahrhundert laut Peter Zec in eine vollkommen neue Phase ein. Seine Lebensumstände sind durch die Generierung und den Transfer von Daten bestimmt. Dabei ist der Homo ex data immer weniger aktiv handelnd an der Gestaltung seines Lebensraumes beteiligt. Er ist nicht mehr an der Macht über die Technik zur Beherrschung seiner Umwelt interessiert. Produkte werden immer seltener auf der Basis von Beobachtungen und Erfahrungen bezüglich der Zweckfunktion und des Gebrauchs entwickelt, sondern sind das Resultat eines Optimierungsprozesses, der auf einer umfassenden Datenanalyse basiert.
Rein äußerlich unterscheiden sich die Objekte nur noch geringfügig. Die eigentliche Gestaltung verlagert sich in das Innere. Funktion, Zweck und Gebrauch werden durch Sensoren bestimmt und Fehler sofort innerhalb des Systems kommuniziert. Die Interaktion und Kommunikation, sowohl zwischen Menschen als auch zwischen den mit künstlicher Intelligenz ausgestatteten Artefakten, spielen eine wesentliche Rolle. Zec fasst zusammen, dass es demnach nicht mehr nur um die Gestaltung eines einzelnen Produktes geht, sondern viel mehr um die Generierung komplexer Systeme. Als Teil dieses Systems passt sich der Homo ex data an die neuen Lebensumstände an.
Die Zukunft des Designs
Obwohl das Natürliche und das Artifizielle eine immer intensivere Verbindung eingehen und teils sogar miteinander verschmelzen, ist es bislang noch immer einzig der Mensch, der emotional beeinflusste Motivationen bewirken kann. Selbst Maschinen, die von künstlicher Intelligenz gesteuert werden, können sich noch nicht selbst zu Handlungen motivieren, da sie nicht von Emotionen geleitet werden. Die neue Herausforderung für Design besteht laut Professor Dr. Peter Zec jedoch keineswegs darin, dies zu ändern. Viel mehr geht es darum, neuartige Produkte zum Teil des großen Ganzen zu machen.
„Design in the Age of Big Data” im Red Dot Design Museum Essen
Wie Designer den Herausforderungen, die mit der Digitalisierung einhergehen, begegnen, zeigt die Ausstellung „Design in the Age of Big Data“ im Red Dot Design Museum Essen. Ihr Konzept beruht auf dem Artikel „Homo Ex Data“ von Professor Dr. Peter Zec. Aufgeteilt in die drei Bereiche „Collecting Data“, „Processing Data“ und „Experiencing“, entdecken Besucher bis zum 2. Juni 2019, wie komplex das Zusammenspiel zwischen Menschen, Technik und Datenströmen im Zeitalter von Big Data ist. Die Exponate, darunter Drohnen, Roboter und Fitness-Tracker, wurden allesamt im Red Dot Award: Product Design ausgezeichnet.